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Etappe 20 - Pill nach Innsbruck

Autorenbild: Simon ExenbergerSimon Exenberger

Mit einem Tag Verspätung liefere ich die Zusammenfassung der Etappe 20 nach, die mich gestern nach Innsbruck geführt hat. Damit geht ein körperlich sehr intensiver Wegabschnitt mit insgesamt 200km zu Ende. Ich bin froh, die Belastung durchgehalten zu haben - muss aber zugeben, dass man bei einem Tagespensum jenseits der 35 km nur noch wenig Zeit für Pausen und Genuss hat. Da heute Abend jedoch ein Nachtdienst in Mariahilf auf mich wartet, ist der Zeitdruck in den letzten Tagen entstanden.

Ich regeneriere ausgezeichnet im Hotel Plankenhof in Pill und hätte auch gern noch weitergeschlafen im modernen Zimmer zwischen altem Gemäuer. Nachdem sich die Blasenpflaster über Nacht gelöst haben werden neue geklebt, danach gehts zum Frühstück. Die ersten Meter des Tages funktionieren ähnlich wie die elektronische Selbstkontrolle beim Auto. Das Feedback heute: alle Systeme OK, kleine Vorschäden an den Fersen - insgesamt fühle ich mich deutlich besser als gestern Früh. Ich wechsle zurück ans Nordufer des Inn und halte mich nach der Autobahn links nach Terfens. Anders als an den letzten Tagen kann ich Jacke und Weste schon nach kurzer Zeit ausziehen, was dem spürbar durchgreifenden Südföhn geschuldet ist. Bei Terfens stiege ich etwa 300 Höhenmeter nördlich zur kleinen, mitten im Wald liegenden Wallfahrtskirche Maria Larch auf. Es ist ein mystischer Kraftort und ich halte inne.

Anschließend wandere ich das schmale und verwunschen romantische Larchtal bei leichtem Anstieg hoch. Schon bei der Vorbereitung auf die heutige Etappe ist mir aufgefallen, dass ich in dieser Gegend schon vor zwei Jahren einmal gewesen bin, als ich einige Tage auf einer Selbstversorgerhütte digitale Auszeit genommen hatte.

In dieser Zeit musste ich durch das Larchtal nach Terfens zum Einkaufen ab- und wieder aufsteigen. Ich erinnere mich, bei einem Materl mit der Wegmarkierung des Jakobswegs damals das erste Mal über ein solches Projekt nachgedacht und sinniert zu haben. Als ich heute an der gleichen Stelle vorbeikomme, überkommt mich ein ganz spezielles Glücksgefühl im Wissen, dass ich den Mut aufgebracht habe, die Idee auch umzusetzen und immerhin bis hierhin gekommen bin.

Frohen Schrittes komme ich vorwärts und meine Gedanken vertiefen sich. Ich philosophiere über das Wesen und die Bedeutung von Reisen, Wegen und Zielen - doch dazu an einem späteren Zeitpunkt mehr.

Oben am Plateau angekommen gelange ich in die bildschön gelegene Ortschaft St. Michael. Die Dorfkirche ist 1337 gotisch erbaut worden, hat innen eine Barockisierung erfahren und liegt landschaftlich atemberaubend mit Blick über das Inntal. Zum letzten Mal für dieses Jahr werden die Wiesen gemäht und Heu eingebracht.

Nach St. Michael beginnt ein am Waldrand verlaufender Naturlehrpfad. Ich folge ihm und mache bei einer modernen Kapelle am höchsten Punkt des Tages Mittagsrast.

Das nun langsam Richtung Westen fallende Gelände heißt Gnadenwald. Inmitten dieses schönen Waldes liegt das Kloster St. Martin, das ein beliebter Wallfahrts- und Heiratsort ist - außerdem weist die nahe gelegene Speckbacherkapelle darauf hin, dass der Gnadenwald einst auch die Heimat des tiroler Freiheitskämpfers Andreas Hofer war. Einem östlichen Ausläufer der Nordkette gehe ich nun einem Wanderpfad durch einen steinigen Föhrenwald entlang. Für Ende Oktober ist es nun sehr warm geworden. Anhand der Breite einer Steinrinne lässt sich erahnen, welche gewaltigen Naturkräfte hier zur Zeit der Schneeschmelze am Werk sind.

Als ich den Wald verlasse drückt mir der mittlerweile zu einem Sturm ausgewachsene Südföhn entgegen. Rechts liegt die Andreas-Hofer-Kaserne und vor mir der Marienwallfahrtsort Absam. Ich nehme mir einige Minuten Zeit, um das Innere des Gotteshauses auf mich wirken zu lassen.


Anschließend wandere ich über sonnige Felder durch die Bauerndörfer Thaur und Rum, die Innsbruck vorgelagert sind. Ein Obstbauer ist gerade mit der Apfelernte beschäftigt, als ich vorbeikomme und einen (bereits am Boden liegenden) Apfel stibitze. Der Duft hier ist intensiv fruchtig und der Apfel schmeckt perfekt süß-säuerlich.

Der Blick über das Tal lässt mich nicht mehr los: Die tiroler Landeshauptstadt liegt wirklich beeindruckend zwischen Bergen eingefasst. Zur rechten beginnt die markante Nordkette, links ist der Patscherkofel zu sehen und mittig kann ich beim heutigen Wetter bis tief zu den Stubaitaler Gletschern schauen.

Über den Vorort Arzl gelange ich zur Kettenbrücke und damit in die Stadt Innsbruck. Ich spaziere die Innpromenade entlang, vorbei an der Nordkettenbahn und in die Altstadt hinein. Im Dom zu St. Jakobus hole ich mir den Pilgerstempel und werfe danach einen Blick aufs goldene Dachl. Die gesamte Fußgängerzone ist im Moment eine riesige Baustelle, da Kanal und diverse Leitungen verlegt oder repariert werden müssen.

Der Rest der Stadt präsentiert sich im warmen Herbstlicht von seiner allerbesten Seite. Ich belohne mich am Innufer mit einem Weissbier in einem Lokal und kann bei dem munteren Treiben um mich herum keine Auswirkungen der rot leuchtenden Pandemie-Ampel spüren. Da die Lichtstimmung am Spätnachmittag heute wirklich besonders faszinierend ist, mache ich noch einen ausgedehnten Spaziergang durch die Stadt und nehme einige Fotos auf. Mit diesen Bildern möchte ich mich in die Winterpause verabschieden. Ich freue mich über all jene, die hier mitlesen und mich so gedanklich ein wenig begleiten. Sobald es Pläne für das kommende Jahr gibt, werde ich mich wieder an die Tastatur setzen und berichten!


Bleibt gesund und wohlauf und mir herzlich gegrüßt!


simon


 
 
 

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